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Skitouren Haftungsfragen

HAFTUNGSFRAGEN BEI PISTENSKITOUREN

13.12.2018
Autor: Sarah Markt, Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit 
Das Skitourengehen entwickelte sich in den vergangenen Jahren zu einer immer beliebter werdenden Trendsportart. Eine Wachstumsrate von 15–20% bei den Absatzzahlen für Skitourenausrüstung im Sporthandel, hinzukommend eine verstärkte Nachfrage nach Skitourenausrüstung im Vergleich zu Snowboard- oder Langlaufausrüstung, bestätigen die subjektive Wahrnehmung zunehmender Skitourensportler auf den Bergen und Pisten.
Einhergehend mit einer steigenden Zahl an Sportlern im alpinen Gelände sowie auf den Skipisten ist auch die Zahl der Verunfallten. Bei den immer beliebter werdenden Skitouren auf der Piste passieren zahlreiche solcher Unfälle. Durch diesen starken Trend zu Pistenskitouren und den daraus resultierenden erhöhten Unfallzahlen rückt die Haftungsfrage bei einem Unfall mit einem Pistenskitourengeher verstärkt in den Vordergrund.
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POTENTIELL HAFTPFLICHTIGE

Die Haftungsfrage ist nicht immer auf den ersten Blick klar zu beantworten. Es kommen dabei grundsätzlich drei potentiell Haftpflichtige in Frage:
  • Zunächst der Betreiber des Skigebiets,
  • zweitens bei einer Kollision der andere Sportler
  • ​und letztens kann jeweils auch ein (Mit-)Verschulden des Skitourengehers selbst vorliegen.
 

1. Betreiber des Skigebiets

 
Das Recht, auf einer Skipiste mit den Tourenski aufzusteigen, wird nur von wenigen Tourengehern hinterfragt und von den meisten Sportlern als selbstverständlich angesehen – eine vorherrschende Fehleinschätzung. Die Nutzung der Piste für den Aufstieg mit Tourenski ist zwar prinzipiell zulässig, sie kann aber vom Betreiber des Skigebiets verboten werden. Durch diese Untersagung ist eine Haftung des Betreibers nach Zivilrecht von vornherein ausgeschlossen. Besteht kein Benützungsverbot für Skitourengeher, ergeben sich folgende Rechtsgrundlagen für eine Haftung des Skigebietbetreibers:
 

A) VERTRAG

Beim Kauf einer Liftkarte resultiert aus dem dadurch entstandenen Beförderungsvertrag eine Nebenverpflichtung. Diese vertragliche Nebenpflicht umfasst u. a. die Erhaltung und Absicherung der Pisten. Bei der Pistensicherungspflicht unterscheidet man zwischen typischen und atypischen Gefahrenquellen, abzusichern sind lediglich atypische Gefahren auf oder direkt neben der Skipiste. Darunter fallen Schneekanonen, Pistengeräte, Liftstützen, Markierungen und Hinweistafeln, aber auch angrenzende Straßen, Gletscherspalten oder steil abfallendes Gelände. Für die Gegebenheiten einer Skipiste typische Gefahren wie eisige Stellen, Unebenheiten, Bäume am Pistenrand oder steile Hänge nimmt ein Skifahrer wissentlich auf sich. Sie sind daher von der Sicherungspflicht ausgenommen. Dem Pistenskifahrer wird hier die Verpflichtung zu einer an die Schwierigkeit der Verhältnisse angepassten und wachsamen Fahrweise auferlegt.
  

B) WEGEHALTERHAFTUNG

Der Pistenhalter haftet dem Wegbenutzer bei der Wegehalterhaftung nach § 1319a ABGB nur bei grob fahrlässigem oder vorsätzlichem Verhalten. Für eine Haftung aufgrund des vernachlässigten Wegzustandes und dem daraus entstandenen Schaden bedarf es also einer qualifizierten Vorwerfbarkeit. Zur Bestimmung der Fahrlässigkeit oder des Vorsatzes wird das Verhalten des gewöhnlichen Wegehalters herangezogen. Von einem grob fahrlässigen Handeln spricht die Rechtsprechung bspw. bei anhaltender Untätigkeit nach einem ernsten Unglück oder bei fehlenden Planungen zur offensichtlich möglichen Schadensvermeidung.
 

C) GEHILFEN- ODER LEUTEHAFTUNG IN DIESEN FÄLLEN

Der Pistenhalter handelt in der Praxis häufig nicht selbst sondern bedient sich seiner Gehilfen, bei der Wegehalterhaftung genannt Leute. Deshalb kommt diesen zwei Haftungsformen als Haftung des Unternehmers für fremdes Verschulden in der Realität ein hoher Stellenwert zu.
  • Einerseits ergibt sich für den Pistenhalter bei einem Vertragsverhältnis gegenüber dem Vertragspartner die Gehilfenhaftung nach § 1313a ABGB.
  • Andererseits haftet er zusätzlich auch gegenüber allen anderen rechtmäßigen Benützern nach § 1319a Abs 1 Satz 1 ABGB, der eine Haftung des Wegehalters bei schuldhafter Herbeiführung seiner Leute normiert.
Die Gehilfenhaftung des § 1313a ABGB kommt vor allem bei vertraglichen Verhältnissen zwischen Unternehmer und Geschädigtem zur Anwendung. Der Pistenhalter haftet dabei für Delikte, die der Gehilfe innerhalb des vom Unternehmer vertraglich übernommenen Pflichtenkreises übernommen hat.
 
Die Leutehaftung im Fall der Wegehalterhaftung stellt eine juristische Besonderheit bei den deliktischen Schadenersatzansprüchen dar. Abs 3 des
§ 1319a ABGB normiert eine Haftung des Halters für jedes vorsätzliche oder grob fahrlässige Handeln seiner Gehilfen – die „Leute des Haftpflichtigen“. Meist werden die Leute des Wegehalters dessen Mitarbeiter sein, also Angestellte oder Arbeiter sowie freie Dienstnehmer. Der dem Wegehalter zurechenbare Leutekreis endet bei Unternehmen mit eigenem Verantwortungsbereich, die Aufgaben für den Halter übernehmen.
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2. Andere Sportler


Aus juristischer Sicht haben Unfälle durch Kollisionen zwischen Sportlern auf der Skipiste eine große Bedeutung, machen sie doch den überwiegenden Anteil der gerichtlichen Entscheidungen im Skisport aus. Besondere Schwierigkeiten bereiten hierbei, neben dem Schaden und der Kausalität, die Rechtswidrigkeit und die Schuldhaftigkeit als dritte und vierte Voraussetzung für die Entstehung eines Schadenersatzanspruches. Um diese beiden Erfordernisse zu prüfen, benötigt es an die Skifahrer/ Skitourengeher gerichtete Verhaltensanforderungen, anhand derer ein mögliches Abgehen festgestellt werden kann. Ein eigenes Gesetz für den Verkehr auf der Piste existiert bislang nicht, regionale Pistenverordnungen kommen aufgrund ihrer gesetzlichen Anfechtbarkeit nicht in Frage und geben somit auch keine Antwort auf die Frage, an welchem objektiven Sorgfaltsmaßstab die Rechtswidrigkeit des Verhaltens gemessen werden kann.
 
Die gebotenen Verhaltensweisen sind, mangels eigenem Gesetz, anhand der vom Rechtsausschuss der FIS erlassenen FIS-Regeln zu erörtern. Diese sind weder Gewohnheitsrecht noch gesatzte Regeln, sondern konkretisieren und bündeln die einzuhaltenden Sorgfaltsmaßstäbe für Skifahrer. Auch nach der Rechtsprechung des OGH haben diese Sportregeln zwar keine Rechtsnormen-Qualität, gelten aber als Zusammenfassung der Sorgfaltspflichten beim Skisport und sind als solche von den Sportlern zu beachten. Ein
  • kontrolliertes Auf-Sicht-Fahren,
  • Vorrangregeln, um einen geregelten Verkehrsfluss zu gewährleisten,
  • sowie eine Ausweis- und Hilfeleistungspflicht
sind u. a. Inhalt der FIS-Regeln. Für den anderen Sportler bedeutet dies vor allem die Sicherstellung der Möglichkeit, vor dem Tourengeher rechtzeitig stehenzubleiben.
 

3. (Mit-)Verschulden des Skitourengehers


Der Pistentourengeher kann auch selbst als Haftpflichtiger herangezogen werden,
  • entweder zur Gänze, wenn ihn das alleinige Verschulden trifft,

  • oder nur teilweise beim Vorliegen von Mitverantwortlichkeit.

Die Ersatzpflicht des Schädigers ist daher bei vorwerfbarem Fehlverhalten des Pistentourengehers jedenfalls zu verringern.
 
Für den Skitourengeher gelten die bereits erwähnten FIS-Regeln gleichermaßen. Nach Regel 6 und 7 hat der Tourengeher
  • beim Aufstieg möglichst den Pistenrand zu nutzen,
  • für Abfahrer schlecht einsehbare Stellen sind vom Skitourengeher generell zu meiden.
  • Das Queren der Piste sollte nur wenn unbedingt nötig und dabei möglichst rasch stattfinden,
  • zwischen den Aufsteigern ist jeweils genügend Abstand zu halten.
  • Das Aufsteigen nebeneinander könnte als Verstoß gegen Regel 7 subsumiert werden und ist daher zu vermeiden.

Ein Verstoß gegen die FIS-Regeln kann bei grobem Fehlverhalten vom Skitourengeher zu einem Haftungsausschluss des Schädigers sowie allenfalls zu einer Haftungsteilung führen.
 
Neben den FIS-Regeln existieren für Pistenskitourengeher daran angelehnte Sorgfaltspflichten, die vom Österreichischen Alpenverein und dem Österreichischen Kuratorium für Alpine Sicherheit erarbeitet wurden und die vom Tourengeher gebotenen Verhaltensweisen konkretisieren. Die Missachtung dieser Maßstäbe führt wieder zu einer Mithaftung des Pistentourengehers und einer daraus folgenden Schadensaufteilung.

 

RESÜMEE

Eine wichtige Feststellung dieses Beitrages ist, dass Pistentourengeher für die Betreiber von Skigebieten eine zusätzliche haftungsrechtliche Belastung darstellen. Durch eine Vielzahl an möglichen Konfliktpunkten ist die Unfallgefahr erhöht, die potentiellen Haftungsfälle für den Betreiber steigen. 
 
Zur Unfallprävention, und das wäre auch Teil der Intention aller oft lautstark geforderten Gesetze, würde meiner Ansicht nach eine weitreichende Aufklärung über ein wachsames und verantwortungsbewusstes Benehmen auf der Skipiste am meisten beitragen. Weit weniger effektiv schätze ich starre Gesetzesregelungen für Pistentourengeher ein, die lediglich zur einer Kriminalisierung des Bergsports führen. Eine nachhaltige Bewusstseinsbildung auf die Eigenverantwortlichkeit am Berg und auf der Piste würde da vielleicht weit mehr Anklang finden und ebenso zur Vermeidung von Unfällen und Konflikten beitragen.
Die Erarbeitung der Haftungsfragen für Skitourenunfälle auf der Piste wirft noch eine weitere Fragestellung auf, nämlich die der rechtlichen Rahmenbedingungen. Die Abgrenzungen zwischen Skipiste, Wald, Rodelwegen, Alm- und Weidegebieten sowie alpinem Ödland sind dabei nur ein Aspekt dieser umfangreichen Fragestellung.
 
Ungeachtet der rechtlichen und gerichtlichen Entwicklungen in der Zukunft könnte schon alleine durch ein vernünftiges, wachsames Miteinander von Pistentourengehern, Pistenbetreibern und anderen Sportlern eine beträchtliche Anzahl an Unfällen und Haftungsfällen vermieden werden.
 

Kategorie:     ALPINFORUM

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Quelle: Lanzanasto, Sarah, PISTENSKITOURENGEHEN - Rechtliche Rahmenbedingungen und Haftungsfragen (2018)