alpinmesse Magazin

4 MULTIVISIONEN TAMARA LUNGERMOTIVIERT NICHT NUR FRAUEN gefährden und habe alles versucht: Massa- gen, Cremes, Meditation usw. Nach weiteren zehn Tagen konnte ich aber nicht mehr. Die Schmerzen bei der Ankunft in Acola waren zu groß, der Fuß war angeschwollen und jeder Schritt eine Qual. Auch die Bedin- gungen in der Gruppe waren nicht einfach. Trotzdem habe ich weitergekämpft, bis ich eingesehen habe, dass es einfach nicht mehr geht. Schweren Herzens musste ich dann aufgeben. Das Projekt war ein großer Traum gewesen, und ich wollte es unbedingt ma- chen. Im Nachhinein hat es aber so gepasst. Ich habe viel daraus gelernt. Wie groß war für dich der Druck von außen, das Projekt durchzuziehen? Ich mache alles, was ich tue, weil ich das selber will. Klar habe ich während der Durchquerung mir selber die Frage gestellt, wieso ich das überhaupt mache. Das Wetter war an 16 von meinen 21 Tagen schlecht. Auch mental war es das Schwierigste, was ich in meinem Leben gemacht habe: jeden Tag so schnell und so weit wie möglich zu kommen, keine Zeit, dem Körper eine Pause zu gönnen, kein Platz für Schwäche und für Schmerzen, immer nur beinhart durch, wie im Krieg. Deshalb hat es mich dann auch sehr verletzt, was auf den Online-Plattfor- men geschrieben wurde. Denn kein Mensch kann bewerten, was jemand anderer tut, weil zwei Menschen nie dasselbe in einer Situation empfinden werden. Ist es für Frauen im Bergsport generell schwieriger? Vom Körperlichen her ist es für Frauen im Bergsport auf alle Fälle schwieriger. Ich persönlich trenne aber Mann und Frau am Berg nicht wirklich, weil ich dasselbe leis- ten muss wie die Männer. Ich muss dieselbe Ausdauer haben und dasselbe Gewicht tragen. Wenn Frauen genug Erfahrung ha- ben, sind sie auch gleichgestellt. Das muss aber erst im Kopf reifen. Für mich sind der Weg und der Ablauf der Expedition wichtig, weniger das eigentliche Ziel. Ich lerne aus den mentalen und körperlichen Prozessen während einer Expedition sehr viel und weiß, dass ich, auch wenn ich nicht auf den Gipfel komme, was Schönes und Großes D ie Südtiroler Bergsteigerin Tamara Lunger schreibt Abenteuerge- schichten, seit sie 14 Jahre alt war. Denn seit diesem Zeitpunkt hegt sie den Wunsch, einmal einen Achttausender zu erklimmen. Auf dem Weg dorthin merkt sie aber, dass ihr der Versuch, ihr Ziel zu erreichen, viel mehr gibt als gedacht. Als sie 2014 als erst zweite Frau Italiens den K2 erreicht, haben die Berge ihr schon so viel Erfahrung über das Leben und sich selbst geschenkt, dass sie schlussendlich ihr wahres Zuhause auf den höchsten Gip- feln der Welt findet. Wir haben mit Tamara Lunger über schwierige Entscheidungen, über Frauen im Bergsport und die Zukunft des Alpinismus gesprochen. Niederlagen, wie gut steckst du sie weg? Und wie schwer machst du dir Entschei- dungen? Bei „Red Bull Der Lange Weg“ hast du ja verletzungsbedingt aufgeben müssen. Am elften Tag habe ich eine Sehnenschei- denentzündung vorne am Unterschenkel bekommen, wollte das Projekt aber nicht WENN AUS T R Ä U M E N REALE BERGABENTEUER WERDEN © TAMARA LUNGER (2)

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