
WIE GEFÄHRLICH SIND KLETTERSTEIGE?
Klettersteigunfällen auf der Spur – eine Analyse von Unfällen in Tiroler Klettersteigen
01.08.2018
Autor: aus analyse:berg Sommer 2018, Beitrag Mair, Sterr, Haselbacher, Walpoth
Autor: aus analyse:berg Sommer 2018, Beitrag Mair, Sterr, Haselbacher, Walpoth
Klettersteiggehen gehört sicherlich zu den boomenden Alpinsportarten. Dies zeigt sich nicht nur in einer ständig steigenden Zahl an Sportausübenden und jährlich neuen, immer schwierigeren und extremeren Steiganlagen, sondern auch in einer stetig steigenden Zahl an Rettungseinsätzen in Klettersteigen.

ZAHLENGRUNDLAGE
Vom 01.01.2010 bis 31.12.2016 wurden insgesamt 340 Unfälle mit 467 beteiligten Personen auf Tirols Klettersteigen erfasst.
WELCHES SIND NUN DIE HÄUFIGSTEN UNFALLURSACHEN? UND HIER DARF MAN GESPANNT SEIN!
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MEHR ALS DIE HÄLFTE SIND KEINE UNFÄLLE
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STURZ & ERKRANKUNG
UNFALLURSACHEN
der 162 erfassten Unfälle mit 167 Personen
- Mit knapp 35 % ist der Sturz in das korrekt verwendete Klettersteigset die häufigste Unfallursache.
- An zweiter Stelle stehen ungesicherte Stürze mit 11 % und Unfälle durch Steinschlag mit 7 %.
- Mit 8 % stehen Überbeanspruchung, oft bei vorbestehenden Erkrankungen des Bewegungsapparates, an dritter Stelle. Typisch für dieses Verletzungsmuster sind Schulterluxationen beim Überwinden von Klettersteigpassagen, die höheren Kraftaufwand erfordern.
- Es wurde nur ein einziges Ereignis im Zusammenhang mit Blitzschlag erfasst.
WIE SCHWER SIND DIE VERLETZUNGEN?
- Für 10 % der erfassten 167 Unfallopfer endete das Unternehmen Klettersteig tödlich, das sind 17 Tote.
- Mehr als zwei Drittel der Verunfallten sind entweder lediglich gering verletzt oder trotz eines Sturzes unverletzt.
- Lediglich ein einziger Sportler wurde lebensbedrohlich verletzt, im analysierten Zeitraum also extrem selten. (Schwere Verletzungen (definiert als Verletzung(en), die eine mindestens 24-stündige stationäre Therapie erfordern) sind eher selten.)
DIE UNFALLURSACHEN DER 17 TÖDLICHEN EREIGNISSE
- Todesursache Nummer 1 (ca. zwei Drittel) ist der Absturz nicht gesicherter Klettersteiggeher. Und zwar durch das ungesicherte Begehen ausreichend abgesicherter Passagen! Selten im Bereich ungesicherter Passagen. In zumindest 3 Fällen war die empfohlene Sicherungsausrüstung vorhanden, wurde aber nicht angewandt!
- Circa 30 % der Todesfälle ereigneten sich durch akute Erkrankungen (z. B. plötzlicher Herztod).
- Nur einmal war Materialversagen für das tödliche Ereignis verantwortlich (gesicherter Sturz).
FAZITS
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Zwei Drittel aller Todesfälle in Klettersteigen wären leicht vermeidbar!
Es muss – wahrscheinlich auch bei erfahrenen Bergsteigern – das Bewusstsein gesteigert werden, dass Stolpern, Abrutschen oder Stürzen auch in wenig schwierigen Klettersteigpassagen zum tödlichen Absturz führt.
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Das Klettersteigset dient lediglich als Notsystem.
Der Großteil der schweren Verletzungen (an oberen und unteren Extremitäten und Brustkorb) entstehen durch Aufprall auf Fels oder Stahlversicherungen.
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Statistiken mit jährlich steigenden Unfallzahlen in Klettersteigen erhalten viel Aufmerksamkeit in der Laienpresse. Dadurch entsteht in der Öffentlichkeit der Eindruck, dass das Begehen von Klettersteigen mit einem hohen Risiko für schwere und tödliche Verletzungen behaftet ist.
Ein genauerer Blick in die Unfallstatistik zeigt aber, dass ein Großteil der in den Unfallstatistiken erfassten Notsituationen unverletzte oder nur gering verletzte Personen betreffen. Auch Stürze ins Klettersteigset führen nur in Ausnahmefällen zu wirklich schweren oder lebensbedrohlichen Verletzungen. Bedenkt man die hohen Begehungszahlen, so erscheint das Risiko, sich bei korrekter Anwendung der Sicherheitsausrüstung beim Klettersteiggehen lebensbedrohliche oder tödliche Verletzungen zuzuziehen, sehr gering (2 Fälle im Bundesland Tirol in 7 Jahren!).
INFORMATIONEN ZUR METHODIK DER ANALYSE
Die Analyse umfasst alle bekannt gewordenen Notsituationen und Unfälle auf Klettersteigen in Tirol im Zeitraum 01.01.2010 bis 31.12.2016. Zur Bearbeitung der Fragestellung wurde sowohl die Alpinunfallstatistik des Österreichischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit/ BM.I Alpinpolizei herangezogen als auch anonymisierte Datensätze der Bergrettung Tirol, der Christophorus Flugrettung und der Universitätsklinik für Unfallchirurgie.Kategorie: ALPINFORUM

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Quellen: Würtl W, Plattner P. Klettersteig. Eine Empfehlung berg&steigen 2011 (2); Seite 44-51. Schrag K. Das Risiko im Griff. DAV Panorama 2011(4); Seite 67-69. Hellberg F, Semmel C. Klettersteigsets: Nichts für Kinder? DAV Panorama 2011 (4); Seite 63-66. Fimml W, Larcher M. Energie ist Kraft mal Weg, Teil 1. berg&steigen 2000 (3); Seite 15-18. Burtscher M, Ponchia A. The risk of cardiovascular events during leisure time activities at altitude. Progress in Cardiovascular Diseases 2010; 52: 507–511.
Fotos © Österreichischer Alpenverein, Christophorus Flugrettungsverein, Simon Rainer, Ortovox, Tirol Werbung
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