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Das Vermächtnis des Winters - © Stefan Wierer

SCHNEEFELDER, WECHTENBRÜCHE, SCHNEEDECKEN & STEINSCHLAG
Das Vermächtnis des Winters 2018/2019

19.06.2019
Tiroler Bergsportführerverband
Autor: Stefan Wierer, Vizepräsident und Bergführer
Der Wandersommer beginnt und wie eine Föhnmauer stauen sich begeisterte Wanderer unterschiedlichster Nationen an den Bergstationen unserer Sommerseilbahnen und stehen an. Stehen an, an einer Winterlandschaft, mit der die wenigsten gerechnet haben.
 
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Der Winter 2018/19 hat in der ersten und zweiten Jänner Woche durch starken Windeinfluß vor allem im Bereich der Waldgrenze überdurchschnittlich große Schneemengen abgelagert. Zudem ist heuer im Mai in dieser Höhe eine beträchtliche Menge an Schnee dazu gekommen und nicht abgeschmolzen, wie es in den vergangenen Jahren üblich war.
 
Dem Tiroler Bergsportführerverband ist es darum ein Anliegen, zum Thema Altschnee mit seinen offensichtlichen und versteckten Gefahren kleine Gedankenanstöße zur Sensibilisierung zu geben,  um mögliche Unfälle zu vermeiden.
 


1. AUSGLEITEN AUF SCHNEEFELDERN

Obwohl die Temperaturen die Schneeoberflächen bereits aufweichen und diese tagsüber gut begehbar sind, tritt bei klaren Nächten das Phänomen der Abstrahlung in Kraft. Das bedeutet, dass die vom Vortag weiche Schneeoberfläche in der Nacht bzw. in den Morgenstunden mit einer harten Kruste überzogen wird und so Wanderschuhen mit weicher Sohle keinen Halt mehr geben.
 
Die Folge ist Abrutschen auf einer rauen, harten Schneeoberfläche, was bei zu leichter oder kurzer Bekleidung tiefe, schlecht heilende Verbrennungswunden hinterlässt.
 
Abrutschen auf Firn (= aufgeweichte Schneeoberfläche) bei einem 45° geneigten Gelände erzeugt ohne Bremsversuche nach 10 Meter 80% der freien Fallenergie, was einem ungebremsten Sturz aus einer Höhe von 8 Meter gleichkommt.
 
Bremstechniken kann man sich zwar in Kursen aneignen, brauchen jedoch viel Übung und die entsprechende Ausrüstung, wie zum Beispiel lange Hosen, Jacken und Handschuhe, welche der „Sommerwanderer“ in der Regel nicht dabei hat.
 
TIPP: Bei Sommerwanderungen ist steiles Schneegelände mit 20° Neigung (= Neigung eines Tiroler Gibeldaches) absolut zu meiden, großräumig zu umgehen oder umzukehren. Besonders gefährlich sind dabei Lawinenbahnen, entstanden durch einen Lawinenabgang. Die dabei frei werdende Energie eist die Lawinenbahn wörtlich auf und wird zur tödlichen Rutschbahn.
Verletzung © Stefan Wierer Schneegelände © Stefan Wierer Schneefeld © Stefan Wierer


2. WECHTENBRÜCHE / LAWINEN

In den nächsten Tagen werden Zubringerwege zur Hüttenversorgung vom Schnee befreit und eignen sich im aperen Zustand gut, um sehr weit in diese bizarre winterliche Gebirgswelt vorzudringen.
 
Jedoch unterspült die sich erwärmende Luft die Wechten, die bei Abbruch einiges an Gewicht und Schneemassen haben. Landen die Wechten auf steilen Altschneedecken, so ist es durchaus möglich, dass Lawinen aus hochgelegenen Karen weit in den Waldbereich vordringen.
 


3. EINBRECHEN IN DIE SCHNEEDECKE

Durch den unregelmäßigen alpinen Untergrund bilden sich bodennah „Luftkanäle“ im Schnee, die sich fast bis zur Schneeoberfläche vorarbeiten, jedoch von außen nicht zu erkennen sind. Diese Luftkanäle sind häufig in Bereichen von eingeschneiten Steinen, Latschen oder überdeckten Bachläufen vorzufinden. Gerade bei Bachläufen sind Stürze von mehreren Metern keine Seltenheit und enden verschärft in stark wasserführenden Bachbetten.
 
Gerade heuer folgen Wanderer der „ersten Stunden“ gerne Skitourenanstiegen anstatt den Wegverläufen. Der Sommerwegverlauf würde jedoch guten stabilen Untergrund bieten, wohingegen sich Skitourengeher dem winterlichen freien Gelände nach anderen Kriterien anpassen. Die Orientierung wird dadurch erschwert.
TIPP: Leicht herausragenden Untergrund großräumig umgehen!
Einbrechen Schneedecke © Stefan Wierer


4. STEINE AUF DER SCHNEEDECKE / STEINSCHLAG

Durch die Schneeschmelze dringt Wasser in Risse und Spalten der Felsen ein. In der Nacht friert das Wasser und dehnt so den Felsen. So lösen sich Steine vom Felsen und bleiben vorerst auf den Schneefeldern liegen. Die später anhaltenden Temperaturen lassen den Schnee weiter schmelzen und Steinschläge sind absehbar.
Diese Vorgänge sind üblicherweise Anfang Mai zu beobachten.
 
Nach diesem besonders schneereichen Winter wird diese Gefahr weit in die Wandersaison hineinreichen. Steine,  die auf Felsbändern oder noch im Schnee liegen, werden für gewöhnlich mit den ersten Regenfällen unterspült, dadurch „entsorgt“ und deshalb den einen oder anderen Wanderweg, welcher unterhalb solcher Geländestellen vorbeiführt, bedrohen.


5. WASSER / SCHMELZWASSER

Die Schneeschmelze ist in vollem Gang: Ein in den Morgenstunden noch leicht zu überwindendes Gerinne kann am späten Nachmittag schon ein bedrohliches Hindernis sein.
 
Die Tageserwärmung aber auch die Strahlungsenergie „schmelzen“ die Schneeoberfläche. Das geschmolzene Wasser sammelt sich dann unterhalb der Schneedecke. Der Höchststand des Wassers wird gegen Mitternacht erreicht, bis die Kälte der Nacht das Wasser wieder in der Schneedecke „bindet“. Verschärft wird diese Situation bei einfallendem Regen oder Gewittern, so können vermeintlich kleine Bäche schon eine enorme Strömungsenergie aufweisen.
TIPP: Freie Bachüberquerungen meiden, am Weg bis zur nächsten Brücke bleiben, die uns einen sicheren Weiterweg garantiert.
Schmelzwasser © Stefan Wierer

6. HÖHENWEGE

Höhenwege sind Wanderwege mit ganz besonderem Reiz. Denn sie führen zu atemberaubenden, jedoch hochalpinen, Gebirgsregionen, welche deutlich über 2.200 m bzw. über 3.000 m liegen.
Mit der derzeitigen Schneelage zählen diese zu tief winterlichen Unternehmungen, die eine komplette Hochtourenausrüstung samt Partner und Seil erfordern!
Außerdem gilt es zu bedenken, dass die Weganlage über große Strecken auf gleicher Höhe und über steile verschneite Flanken führt. Diese zu Queren ist als besonders gefährlich einzustufen und kann zu fatalen Abstürzen führen.
 

Kategorie:    ALPINFORUM

Fotos ​© Stefan Wierer
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